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Bettina Wiesendanger
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Weihnachtshymnus

Francisco de Zubaran, Madonna mit Kind@Google_Art_Project (Foto: Francisco de Zubaran)
Francisco de Zubaran, Madonna mit Kind@Google_Art_Project (Foto: Francisco de Zubaran)
An Dich, erwachsener Gott

Ganz Mensch bist Du geworden, eines nachts. Wie wir.
Wie wir, die wir wachsen, die wir mehr wollen, mehr wollen müssen um zu bestehen.
Wir trinken, wir nähren uns, wir mästen uns. Ein Neugeborenes in seinem ersten halben Jahr des Lebens: Es verdoppelt sein Gewicht. So auch Du.
Trinkend, doch das Händchen an der zweiten Brust. Selbstvergessen. Auch vor zweitausend Jahren. Auch später. Auch heute.
Es ist gut, dass Du ganz Mensch geworden bist. Wie wir. Derselbe Anfang.
Doch wenn Du, Gott, Mensch wirst, dann wird nicht ein Mensch Mensch. Denn als Gott wirst Du – Mensch geworden - weniger. Ein Gott in Windeln.
Als Menschen aber müssen wir mehr werden. Wir müssen uns entfalten. Wir expandieren. Als Menschen, die weiter saugen, auch nach der Zeit.
Du setzt Dich ins Kind. Wir setzen uns bald nach unserer je eigenen Verdoppelung in die Verantwortung und überfordern uns, als Kind gebliebene.
Du schläfst im Sturm, wir rotieren.
Du zeichnest in den Sand, wir verurteilen.
Du sagst: Verachtet keines dieser Kleinen, wir aber verachten die, die weniger werden. Die nur sitzen, essen, schlafen, in gleichmässiger Wiederholung.
Wir sprechen davon, dass es Dich braucht. Dass Du notwendig bist, für Alle. Doch ist das das Wort für Dich: „Notwendig“? Sind wir damit nicht vielmehr solche, die sagen „hier ist der Messias, oder dort (Mt 24,23)“? Bist Du nicht vielmehr unnötig, doch einfach da, hier, jetzt, so oder so, gleich einem Neugeborenen? Dass Du nicht nötig bist ist offenkundig in dieser Nacht. In der Nacht Deiner Geburt als Menschenkind: Wir haben genug Kinder, Bevölkerung, Wachstum an neuen Menschen.
Es ist gut, dass Du Mensch geworden bist. Ganz Mensch. Und Dich verdoppelt hast im ersten halben Jahr.
Es ist gut, dass Du dann andere gerettet hast, dich selber aber nicht; gut dreissig Jahre später.
Denn wir, wir sind darin vereint, uns selbst zu retten, im „mehr davon“, mehr dies, mehr das, mehr jenes, Kleinkindern gleich im Supermarkt.
Wir bleiben, mit unserem Händchen an der zweiten Brust und saugen alles aus. So folgen wir Dir nach. Doch Du, Du wirst erwachsen. Und gibst dich hin. Und bist uns heute darin Gott. Amen.

Pfarrerin B. Wiesendanger

Editorial

Gesegnete Weihnachten!