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Karin Barz Dieterle

BRUCHlinien: Ab – und Aufbruch vor 200 Jahren

Vor 200 Jahren wurde die über 700-jährige romanische Kirche abgerissen und darüber mutig, im Stil der Zeit, eine grosse klassizistische Querkirche gebaut.
Werbeblache an Kirchturm Juli 2023-b (Foto: zVg)
Alte Ansichten_b (Foto: Archiv)
Uster Kirche Innen1823_Abbruch (Foto: zVg)
Nach der französisch dominierten Umbruchszeit regierte noch einmal die alte Ordnung. Kirche und Staat waren wieder eng verflochten. Doch das Weltbild veränderte sich spürbar: Mit den Fabrikherren zog liberales Gedankengut in Uster ein, und in zunehmendem Mass kamen Fabrikarbeiter. Neue, demokratische und soziale Ideen begannen zu kursieren.
Die Ustermer brachen in die Zukunft auf. Über dem Eingang der neuen,
imposanten Kirche steht: «Heiligkeit ist die Zierde dieses Gotteshauses.» Das Alte wurde zurückgelassen.
Zugänglich über eine monumentale Freitreppe dominieren vier gewaltige Säulen mit Grandezza den Eingang in den Kirchensaal. Derselbe Bildhauer, der in Luzern das Löwendenkmal erstellte, schuf den Taufstein, der genau im Zentrum steht.
Doch es rumorte in der Gesellschaft. Die Bruchlinien sind offensichtlich: Die neue Kirche sieht bald sowohl den Ustertag als auch den Usterbrand, hört die konservative Predigt von Pfarrer Werdmüller aus altem Geschlecht und bald darauf die des der Moderne verpflichteten Pfarrer Vögelin. Als wohl erste Kirchgemeinde im Kanton schafft sich Uster silbernes Abendmahlgeschirr an und verhökert das hölzerne aus der Reformationszeit. Der Bau wird über den Verkauf von Sitzplätzen finanziert – und das so erfolgreich, dass damit auch noch die Kirchenkasse saniert werden kann.
Heute sind wir zaghafter, wünschen uns hin und wieder die kleinere, alte Kirche zurück. Doch gerade in der Pandemiezeit profitierten wir vom Mut und der Zuversicht unserer Vorfahren. Ein Beispiel für uns heute.