Dorothee Sölle - Nachklang zum 20. Todestag
In diesen Tagen wird an die wohl meistgelesene und umstrittenste Evangelische Theologin des 20. Jahrhunderts erinnert. Dorothee Sölle starb am 27. April vor 20 Jahren.
Eine Einladung zum » Schmökern.
Eine Einladung zum » Schmökern.
Atem Gottes
Atem gottes hauch mich an
füll du mich wieder mit leben
dass ich was du liebst lieben kann
und rette was du gegeben
Atem gottes weh mich an
bis mein herz dir offen
bis ich was du willst wollen kann
im handeln und im hoffen
Atem gottes blas mich an
bis ich ganz dein werde
bis dein feuer in mir brennt
auf der dunklen erde
Atem des lebens atme in mir
lehr mich die luft zu teilen
wie das wasser wie das brot
komm die erde zu heilen
füll du mich wieder mit leben
dass ich was du liebst lieben kann
und rette was du gegeben
Atem gottes weh mich an
bis mein herz dir offen
bis ich was du willst wollen kann
im handeln und im hoffen
Atem gottes blas mich an
bis ich ganz dein werde
bis dein feuer in mir brennt
auf der dunklen erde
Atem des lebens atme in mir
lehr mich die luft zu teilen
wie das wasser wie das brot
komm die erde zu heilen
Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott
der die Welt nicht fertig geschaffen hat
wie ein Ding das immer so bleiben muss
der nicht nach ewigen Gesetzen regiert
die unabänderlich gelten
nicht nach natürlichen Ordnungen
von Armen und Reichen
Sachverständigen und Uninformierten
Herrschenden und Ausgelieferten
Ich glaube an Gott
der den Widerspruch des Lebendigen will
und die Veränderung aller Zustände
durch unsere Arbeit
durch unsere Politik
Ich glaube an Jesus Christus der recht hatte, als er
„ein einzelner, der nichts machen kann"
genau wie wir
an der Veränderung aller Zustände arbeitete
und darüber zugrunde ging
an ihm messend erkenne ich
wie unsere Intelligenz verkrüppelt
unsere Phantasie erstickt
unsere Anstrengung vertan ist
weil wir nicht leben wie er lebte
jeden Tag habe ich Angst
dass er umsonst gestorben ist
weil er in unseren Kirchen verscharrt ist
weil wir seine Revolution verraten haben
in Gehorsam und Angst vor den Behörden
Ich glaube an Jesus Christus
der aufersteht in unser Leben
dass wir frei werden
von Vorurteilen und Anmaßung
von Angst und Hass
und seine Revolution weitertreiben
auf sein Reich hin
Ich glaube an den Geist
der mit Jesus in die Welt gekommen ist
an die Gemeinschaft aller Völker
und unsere Verantwortung für das
was aus unserer Erde wird
ein Tal voll Jammer Hunger und Gewalt
oder die Stadt Gottes
Ich glaube an den gerechten Frieden der herstellbar ist
an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens
für alle Menschen
an die Zukunft dieser Welt Gottes. Amen.
Dorothee Sölle / Fulbert Steffensky (Hg.): Politisches Nachtgebet in Köln. Bd. 1. Stuttgart: Kreuz / Mainz: Grünewald 51971, S. 26-27
der die Welt nicht fertig geschaffen hat
wie ein Ding das immer so bleiben muss
der nicht nach ewigen Gesetzen regiert
die unabänderlich gelten
nicht nach natürlichen Ordnungen
von Armen und Reichen
Sachverständigen und Uninformierten
Herrschenden und Ausgelieferten
Ich glaube an Gott
der den Widerspruch des Lebendigen will
und die Veränderung aller Zustände
durch unsere Arbeit
durch unsere Politik
Ich glaube an Jesus Christus der recht hatte, als er
„ein einzelner, der nichts machen kann"
genau wie wir
an der Veränderung aller Zustände arbeitete
und darüber zugrunde ging
an ihm messend erkenne ich
wie unsere Intelligenz verkrüppelt
unsere Phantasie erstickt
unsere Anstrengung vertan ist
weil wir nicht leben wie er lebte
jeden Tag habe ich Angst
dass er umsonst gestorben ist
weil er in unseren Kirchen verscharrt ist
weil wir seine Revolution verraten haben
in Gehorsam und Angst vor den Behörden
Ich glaube an Jesus Christus
der aufersteht in unser Leben
dass wir frei werden
von Vorurteilen und Anmaßung
von Angst und Hass
und seine Revolution weitertreiben
auf sein Reich hin
Ich glaube an den Geist
der mit Jesus in die Welt gekommen ist
an die Gemeinschaft aller Völker
und unsere Verantwortung für das
was aus unserer Erde wird
ein Tal voll Jammer Hunger und Gewalt
oder die Stadt Gottes
Ich glaube an den gerechten Frieden der herstellbar ist
an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens
für alle Menschen
an die Zukunft dieser Welt Gottes. Amen.
Dorothee Sölle / Fulbert Steffensky (Hg.): Politisches Nachtgebet in Köln. Bd. 1. Stuttgart: Kreuz / Mainz: Grünewald 51971, S. 26-27
Vom Staunen
"Wir fangen erst dann an glücklich zu sein, wenn wir begreifen, dass Leben ohne Staunen nicht lebenswert ist. (...) Dieses umfassende Verständnis von Wunder des Daseins ist unabhängig davon, ob wir den Ursprung der Schöpfung personal fassen wie in den abrahamitischen Religionen oder nicht personal fassen."
aus einem Vortrag in der Evangelischen Akademie Bad Boll über Gott und das Glück und die Mystik
aus einem Vortrag in der Evangelischen Akademie Bad Boll über Gott und das Glück und die Mystik
Zeitansage
Es kommt eine Zeit,
da wird man den Sommer Gottes
kommen sehen:
die Waffenhändler machen bankrott,
die Autos füllen die Schrotthalden
und wir pflanzen jede einen Baum.
Es kommt eine Zeit,
da haben alle genug zu tun
und bauen die Gärten
chemiefrei wieder auf;
in den Arbeitsämtern wirst du
ältere Leute summen und pfeifen hören.
Es kommt eine Zeit,
da werde wir viel zu lachen haben;
und Gott wenig zu weinen.
Die Engel spielen Klarinette
und die Frösche quaken die halbe Nacht.
Und weil wir nicht wissen;
wann sie beginnt,
helfen wir jetzt schon
allen Engeln und Fröschen
beim Lob Gottes
da wird man den Sommer Gottes
kommen sehen:
die Waffenhändler machen bankrott,
die Autos füllen die Schrotthalden
und wir pflanzen jede einen Baum.
Es kommt eine Zeit,
da haben alle genug zu tun
und bauen die Gärten
chemiefrei wieder auf;
in den Arbeitsämtern wirst du
ältere Leute summen und pfeifen hören.
Es kommt eine Zeit,
da werde wir viel zu lachen haben;
und Gott wenig zu weinen.
Die Engel spielen Klarinette
und die Frösche quaken die halbe Nacht.
Und weil wir nicht wissen;
wann sie beginnt,
helfen wir jetzt schon
allen Engeln und Fröschen
beim Lob Gottes
Esst die Psalmen. Jeden Tag einen.
Die Psalmen sind für mich eins der wichtigsten Lebensmittel. Ich esse sie, ich trinke sie, ich kaue auf ihnen herum, manchmal spucke ich sie aus, und manchmal wiederhole ich mir einen mitten in der Nacht. Sie sind für mich Brot.
Ohne sie tritt die spirituelle Magersucht ein, die sehr verbreitet unter uns ist und oft zu einer tödlichen Verarmung des Geistes und des Herzens führt. Materieller Reichtum und technologisches Wissen stellen in unserem Teil der Erde die Bedingungen für den spirituellen Tod der Überentwickelten dar. Und so möchte ich als erstes sagen: Esst die Psalmen. Jeden Tag einen. Vor dem Frühstück oder vor dem Schlafengehen, egal. Haltet euch nicht lang bei dem auf, was ihr komisch oder unverständlich oder bösartig findet, wiederholt euch die Verse, aus denen Kraft kommt, die die Freiheit, Ja zu sagen oder Nein, vergrössern.
Findet euren eigenen Psalm. Das ist eine Lebensaufgabe und viel zu gross für uns, aber lasst euch nicht unnötig verkleinern. „Meine Seele singe zu Gott“ – so haben Menschen, die innerhalb furchtbarer Verkleinerungszwänge lebten, gebetet. Hungrige, Verkrümmte, Geängstigte, an Geist und Seele verkümmerte Frauen haben das gewusst und gesungen. „Lobe den Herrn, meine Seele“, haben sie zu ihrer Seele gesagt.
Esst den Psalm, Gott hat schon Brot gebacken, die Väter und Mütter des Glaubens haben schon für uns vorgesorgt. Esst und lernt, Brot zu backen.
Ohne sie tritt die spirituelle Magersucht ein, die sehr verbreitet unter uns ist und oft zu einer tödlichen Verarmung des Geistes und des Herzens führt. Materieller Reichtum und technologisches Wissen stellen in unserem Teil der Erde die Bedingungen für den spirituellen Tod der Überentwickelten dar. Und so möchte ich als erstes sagen: Esst die Psalmen. Jeden Tag einen. Vor dem Frühstück oder vor dem Schlafengehen, egal. Haltet euch nicht lang bei dem auf, was ihr komisch oder unverständlich oder bösartig findet, wiederholt euch die Verse, aus denen Kraft kommt, die die Freiheit, Ja zu sagen oder Nein, vergrössern.
Findet euren eigenen Psalm. Das ist eine Lebensaufgabe und viel zu gross für uns, aber lasst euch nicht unnötig verkleinern. „Meine Seele singe zu Gott“ – so haben Menschen, die innerhalb furchtbarer Verkleinerungszwänge lebten, gebetet. Hungrige, Verkrümmte, Geängstigte, an Geist und Seele verkümmerte Frauen haben das gewusst und gesungen. „Lobe den Herrn, meine Seele“, haben sie zu ihrer Seele gesagt.
Esst den Psalm, Gott hat schon Brot gebacken, die Väter und Mütter des Glaubens haben schon für uns vorgesorgt. Esst und lernt, Brot zu backen.